April 2024

Noch muss  der Reisende das alte Nikolaitor der Stadt Eisenach passieren, wenn er vom Bahnhof aus in die Innenstadt möchte. Das einzige mittelalterliche Tor der Stadt, allen Abbruchgelüsten trotzend, ist nach fast einem Jahrtausend gemächlicher Fußgänger-, Ochsen- und Pferdegespannkontrolle nunmehr dem Autoverkehr ausgeliefert. Über allem aber und aus allen Himmelsrichtungen irgendwann sichtbar, die Wartburg mit ihrer ungebrochenen Ausstrahlung auf Thüringen, Deutschland und die Welt. Foto: Wartburg im Abendrot, Wartburg-Touristik Eisenach. 

Literaturlandschaften e.V.

Von Gotha fuhren wir auf Eisenach zu, dicht am Fuß des sagenreichen Hörselberges vorüber. (…) Vor dem Nicolaitor von Eisenach bog ich mich weit aus dem Wagen, um am Torturm das altersgraue und verwitterte Steinbild Ludwigs des Bären, des Vaters von Ludwig dem Springer, des Erbauers der Stadt und der Wartburg, zu erschauen und zu grüßen, mich freuend, daß ich es noch auf seiner Stelle fand. 

Dieses Mal konnte ich nur von unten hinauf zur lieben und gefeierten Wartburg grüßen, der ehrwürdigen Burgwarte Deutschlands, auf der ich oft so froh und so freudebewegt gestanden, zu der ich oft emporgestiegen im Frührot wie im Abendrot und von ihr mit einem unbeschreiblichen Wonnegefühl hinab auf die Blätterwogen eines grünen Meeres, auf die rauschenden Bergwälder geschaut. (…)

Während wir hinter Eisenach auf der romantischen Straße bergan fuhren, blickte von Zeit zu Zeit die Wartburg hinter den Bergen hervor, als gehe sie ein Stück Wegs mit uns Scheidenden und flüstre im Gesäusel des Frühlingswindes, daß wir sie und Deutschland nicht vergessen sollten.

(Ludwig Bechstein, Unterwegs im Reisewagen – Bilder aus Thüringen. Zitiert nach der 1988 im Greifenverlag zu Rudolstadt herausgegebenen Ausgabe.)